Gleichstellungsstelle informiert 01/2022

"Ein Schwangerschaftsabbruch wird nie normal sein - am allerwenigsten normal für die betroffene Frau." Kristina Hänel, deutsche Ärztin 

Liebe Frauen und Männer, liebe Mülheimer*innen!

Heute gibt es gute Neuigkeiten zu einem schlimmen Thema: Nach einer sogenannten "Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung" können Betroffene nun selbst entscheiden, wann sie in der Lage sind, den Weg zur Polizei zu beschreiten - mit allem, was diese Entscheidung mit sich bringt.
Die Gesetzgebung in NRW ermöglicht es, die erforderliche Spurensicherung durchzuführen, ohne unmittelbar eine Anzeige zu stellen. Betroffene haben nun bis zu zehn Jahre Zeit, um nach einer qualifizierten und gerichtsfesten Aufnahme der Spuren die Tat anzuzeigen. Dies auf den Weg zu bringen, war eine große Herausforderung. Die Gleichstellungsstelle hat diesen Prozess intensiv verfolgt und begleitet. Damit die eingelagerten Asservate entsprechend professionell transportiert, eingelagert und codiert werden können, mussten rechtliche Vorgaben erfüllt werden, insbesondere im Hinblick auf die Verwertbarkeit der dokumentierten Befunde. Das ist nun geschafft!
Selbstverständlich ist die sofortige Strafverfolgung nach der Tat aus juristischer und polizeilicher Sicht der "bessere" Weg, um in diesem Bereich zu ermitteln. Das anerkanntermaßen große Dunkelfeld nicht angezeigter Taten jedoch und die Einsicht, dass es Beziehungsmuster und Abhängigkeiten gibt, die einer unmittelbaren Anzeige im Wege stehen, haben die anonyme oder vertrauliche Spurensicherung als sinnvolle und ergänzende Option ermöglicht. Wie Sie im weiteren Verlauf des Newsletters sehen, haben wir das zum Anlass genommen und Flyer in zwölf Sprachen erstellt, um die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung allen Bürger*innen zur Kenntnis zu bringen.

So viel für heute – bleiben sie gesund!
Wir danken für Ihr Interesse und freuen uns über Tipps und Rückmeldungen!
Freundlich grüßen

Antje Buck, Sabine Herrmann, Cäcilia Tiemann, Petra Schlösser


© Anja Martin/Freistil Berlin/Suhrkamp Verlag
Zum Internationalen Frauentag am Dienstag, 8. März, wird die bekannte Buchautorin Dr. Susanne Kaiser einen Vortrag halten zum Thema: "Politische Männlichkeit und die neue autoritäre Bewegung". Woher kommt die neue Lust an autoritären Bewegungen, die sich seit einiger Zeit im Aufwind befinden - überall auf der Welt? Von Neuseeland bis Kanada, von Brasilien bis Polen vernetzen sich Rechtspopulisten und Rechtsextreme, sogenannte Incels und Maskulinisten, aber auch christliche Abtreibungsgegner und Fundamentalisten unter dem Banner der Männlichkeit, um Frauen auf einen untergeordneten Platz in einer angeblich natürlichen Hierarchie zurückzuverweisen. "Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken", appellierte etwa der AfD-Politiker Björn Höcke an den deutschen Mann und konnte auf diese Weise viele Wählerstimmen mobilisieren. Das ist kein Zufall: Der autoritäre Backlash ist männlich, so die These des Buchs "Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen" (Suhrkamp Verlag). In ihrem Vortrag zeigt Susanne Kaiser, wie sich unterschiedliche autoritäre Gruppierungen vernetzen, ihre Ideologien untereinander anschlussfähig machen und gemeinsam ihren Hass auf Frauen organisieren.
Die Autorin Susanne Kaiser schreibt Bücher, Essays, Reportagen und Analysen über die Gesellschaft - jetzt gerade über bedrohte Männlichkeit und den autoritären Backlash, u.a. für die ZEIT, den Spiegel oder Deutschlandfunk Kultur. Als nächstes Buch wird "Das feministische Paradox. Wie Gleichheit Gewalt gegen Frauen hervorbringt und was wir dagegen tun können" erscheinen. Seit fast 20 Jahren beschäftigt sich Susanne Kaiser mit den Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen in muslimischen und westlichen Gesellschaften, auch mit neu aufkommenden Phänomenen wie organisiertem Frauenhass und Sexismus. Als Journalistin hat sie an den Rändern der Gesellschaft recherchiert, in abgehängten Gegenden und über extremistische Bewegungen wie Dschihadismus oder Rechtsterrorismus. Dazu hat sie auch Bundestagsabgeordnete beraten.
Die Veranstaltung wird, wenn es die Corona-Regeln erlauben, um 19 Uhr (Einlass 18.45 Uhr) in der Stadtbücherei im MedienHaus, Synagogenplatz 3, stattfinden. Eine Anmeldung ist, auch für das alternative Online-Format, unter gleichstellungsstelle@muelheim-ruhr.de erforderlich.


Anonyme Spurensicherung: neue Flyer in 12 Sprachen sowie in leichter Sprache
Die Flyer erläutern, was eine "Anonyme oder vertrauliche Spurensicherung im Falle sexualisierter Gewalt" ist und wo man diese in Mülheim an der Ruhr durchführen lassen kann. Die Untersuchungsergebnisse und Asservate werden bei der Spurensicherung zehn Jahre gerichtsfest und anonym eingelagert, damit das Opfer zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige erstatten kann. Nicht jede betroffene Person kann sich nach erlebter Tat sofort zu einer Anzeige entscheiden, steht möglicherweise zu dem*der Täter*in in einem Abhängigkeitsverhältnis und findet vielleicht erst nach Jahren die Kraft, juristische Schritte einzuleiten. Dafür muss die Beweislage vor Gericht Bestand haben. Den Mitgliedern des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt ist es sehr wichtig, diese Möglichkeit in der ganzen Stadt bekannt zu machen und haben daher Flyer in deutscher, englischer, französischer oder arabischer Sprache, leichter Sprache sowie ein Plakat drucken lassen. Diese und weitere Sprachen (albanisch, bulgarisch, kurdisch, polnisch, rumänisch, russisch, serbisch, türkisch) gibt es auch zum Download auf unserer Internetseite. Helfen Sie mit und legen Sie die gedruckten Flyer zur Mitnahme aus oder hängen das Plakat mit QR-Code auf! Bestellen Sie eine beliebige Anzahl in der Gleichstellungsstelle.


Rückblick: Fachveranstaltung Digitale Gewalt gegen Mädchen und Frauen
Cybermobbing, Sexting, Doxing, Stalking mit Spy-Apps… die Formen digitaler Gewalt sind vielfältig und passen sich rasant der technischen Entwicklung an. Um sich das Ausmaß der "Digitalen Gewalt gegen Mädchen und Frauen" zu verdeutlichen, sich selber zu sensibilisieren sowie Betroffenen Unterstützung anbieten zu können, leistete die Online-Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages NEIN zu Gewalt an Frauen einen Beitrag. Der Tag wurde organisiert vom Runden Tisch gegen häusliche Gewalt Mülheim an der Ruhr und der Gleichstellungsstelle und bot allen Interessierten einen differenzierten Einblick in die komplexe Thematik. Mehr Informationen finden Sie auf unseren Internetseiten unter "Digitale Gewalt" und "Veranstaltungen".

und sonst noch:

Gender-Mediathek
Videos, Filme und Podcasts rund um Gender und Feminismus bietet die Gender-Mediathek. Sie erfasst ein großes Spektrum an audiovisuellen Medien zu geschlechterpolitischen Themen. In der Rubrik "Aktuell im Fokus" stellt sie regelmäßig Medien und Materialien zu einem Themenfeld vor. Die Gender-Mediathek ist ein kollaboratives Projekt, das Dozent*innen, Trainer*innen, Multiplikator*innen und Interessierte bei der Suche nach feministischen und geschlechterbezogenen audiovisuellen Lehr- und Lernmaterialien unterstützt.

Streichung §219a StGB
Der Koalitionsvertrag (2021–2025) von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bekundet die Streichung des § 219a StGB! Dort heißt es: "Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB." (Koalitionsvertrag 2021-2025, S.117).